Änderungen bei der gemischten Methode

Der Bundesrat hat per 1. Januar 2018 die Invaliditätsbemessung bei Teilerwerbstätigen (gemischte Methode) und Nichterwerbstätigen (spezifische Methode) angepasst. Die entsprechenden Änderungen der Verordnung waren aufgrund eines Entscheids des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) notwendig geworden.
Gisella Mauro, Ralph Leuenberger
  |  02. März 2018
    Recht und Politik
  • Invalidenversicherung

Gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Krankheit, Unfall oder Geburtsgebrechen können für eine Person unter Umständen weitreichende wirtschaftliche Folgen zeitigen. Neben den direkten Kosten für Therapie und Behandlung1 ist vor allem an finanzielle Einbussen durch den ganzen oder teilweisen Verlust an Erwerbsmöglichkeiten zu denken. Als Ausgleich für Letztere richtet die IV versicherten Personen (vP), welche voraussichtlich bleibend oder langandauernd erwerbsunfähig sind, unter bestimmten Umständen2 eine Rente aus. Der Anspruch und die Höhe der Rente hängen dabei vom Grad der Invalidität ab:3 Ab 40% IV-Grad erhält die vP eine Viertelsrente, ab 50% IV-Grad eine halbe Rente, ab 60% IV-Grad eine Dreiviertelsrente und ab 70% IV-Grad eine ganze Rente.

Bemessungsmethoden und Status der vP Um den Invaliditätsgrad im Einzelfall festzulegen, behilft sich die IV mit unterschiedlichen Bemessungsmethoden:

  • Die allgemeine Methode des Einkommensvergleichs4 kommt grundsätzlich bei allen Vollerwerbstätigen zur Anwendung sowie bei Teilerwerbstätigen, welche daneben nicht auch noch in einem Aufgabenbereich (vgl. nächsten Punkt) tätig sind. Der Invaliditätsgrad wird hier durch die Gegenüberstellung der zumutbaren Erwerbseinkommen ohne und mit Gesundheitsschaden ermittelt.
  • Die spezifische Methode des Betätigungsvergleichs5 betrifft Personen, die keine Erwerbstätigkeit ausüben und sich in einem Aufgabenbereich wie dem Haushalt, Studium/Ausbildung oder einer klösterlichen Gemeinschaft betätigen. Der Invaliditätsgrad wird bei einer Abklärung vor Ort durch die Gegenüberstellung der ohne und mit Gesundheitsschaden ausgeübten bzw. möglichen Tätigkeiten im Aufgabenbereich festgelegt.
  • Die gemischte Methode6 betrifft Personen, die einem Teilerwerb nachgehen, d.h. nicht auf die im betreffenden Beruf übliche Arbeitszeit kommen, und zusätzlich noch in einem Aufgabenbereich beschäftigt sind. Der Invaliditätsgrad wird für die Erwerbstätigkeit nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs ermittelt, der Invaliditätsgrad für die Tätigkeit im Aufgabenbereich nach der spezifischen Methode des Betätigungsvergleichs.
  • Die ausserordentliche Methode ist eine spezielle Art des Einkommensvergleichs v.a. bei Selbständigerwerbenden, deren Vergleichseinkommen anderweitig nicht zuverlässig ermittelt werden können. Ähnlich wie bei der spezifischen Methode des Betätigungsvergleichs werden die verschiedenen Teilbereiche einer Erwerbstätigkeit bei einer Abklärung vor Ort ermittelt. In diesen Teilbereichen wird dann eine Gegenüberstellung der ohne und mit Gesundheitsschaden ausgeübten bzw. möglichen Tätigkeiten vorgenommen und anschliessend nach den Verdienstmöglichkeiten der einzelnen Teilbereiche erwerblich gewichtet.

Für die Bestimmung der anwendbaren Bemessungsmethode kommt es auf den sogenannten Status der vP an. Es muss hierfür in jedem Einzelfall konkret geprüft werden, welche Tätigkeit die vP ausüben würde, wenn sie nicht gesundheitlich beeinträchtigt wäre (reine Erwerbstätigkeit, Teilerwerbstätigkeit mit oder ohne Aufgabenbereich, reine Tätigkeit im Haushalt etc.). Dabei sind sämtliche Gegebenheiten des Einzelfalles wie allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die beruflichen Fähigkeiten, die Ausbildung, die persönlichen Neigungen und Begabungen sowie die finanzielle Situation der vP nach Massgabe der allgemeinen Lebenserfahrung zu würdigen.7 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist auf Grund objektiver Umstände „vernünftig“ zu beurteilen, wie die vP in ihrer konkreten Lebenssituation ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen entschieden hätte, wobei dieser subjektive Entschluss nicht zwingend auch der objektiv vernünftigste Entscheid sein muss.8

Ein einmal festgelegter Status und die anzuwendende Methode der Invaliditätsbemessung gelten grundsätzlich nur für den konkreten Zeitpunkt. Treten massgebliche Veränderungen  (z.B. des Gesundheitszustands) ein, welche eine erhebliche Änderung des Invaliditätsgrades bewirken, wird eine Revision der Invalidenrente durchgeführt.9 Es ist dann erneut zu prüfen, welchen Status die vP ohne gesundheitliche Beeinträchtigung bei ansonsten unveränderten Umständen hätte. So kann die Neuaufnahme oder Ausdehnung eines Erwerbspensums beispielsweise beim Schuleintritt eines Kindes einen Wechsel des Status und der anwendbaren Bemessungsmethode bewirken.

Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode Für die Bemessung des Invaliditätsgrads werden bei der gemischten Methode der Erwerbsteil und der Aufgabenbereich zunächst separat betrachtet. Für den Erwerbsteil wird die allgemeine Methode des Einkommensvergleichs angewendet. Dabei wird zunächst die Einkommenseinbusse berechnet, d.h. es wird das Einkommen, welches die vP zumutbarerweise mit dem Gesundheitsschaden noch erzielen kann (Invalideneinkommen) vom Einkommen, welches die vP ohne Gesundheitsschaden erzielen konnte (Valideneinkommen) abgezogen. Danach wird diese Einbusse als Anteil des Valideneinkommens in Prozenten ausgewiesen. Der so erhaltene Invaliditätsgrad aus dem Erwerbsteil wird mit dem Anteil der Erwerbstätigkeit (Pensum, welches von der vP ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgeübt würde) multipliziert, um den gewichteten Invaliditätsgrad im Erwerbsteil zu erhalten. Die Gewichtung ist notwendig, da im komplementären Aufgabenbereich ebenfalls ein Teilinvaliditätsgrad berücksichtigt wird und ohne entsprechende Gewichtung ansonsten Invaliditätsgrade von über 100 Prozent entstehen könnten.

Die Invalidität in Bezug auf den Aufgabenbereich wird durch einen Betätigungsvergleich bestimmt. Die ermittelte Invalidität wird sodann mit dem Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich (also dem verbleibenden Pensum, wenn der Anteil der Erwerbstätigkeit von 100 abgezogen wird)10 multipliziert. Daraus ergibt sich der gewichtete Invaliditätsgrad im Aufgabenbereich.

Der gesamte Invaliditätsgrad ergibt sich letztlich durch Addition der in beiden Bereichen berechneten und gewichteten Teilinvaliditäten.

Die Kritik an der gemischten Methode und die Rechtsprechung des Bundesgerichts Weil bisher bei der gemischten Methode häufig tiefere Invaliditätsgrade resultierten als dies bei einer Berechnung allein mittels Einkommens- oder  Betätigungsvergleich der Fall gewesen wäre, beanstandeten Vertreter der Lehre und der Anwaltschaft die Anwendung der gemischten Methode (anstelle vieler Leuzinger 2017).

Bemängelt wurde dabei einerseits eine doppelte Berücksichtigung des Teilzeitcharakters bei der Festlegung der Invalidität im Erwerbsbereich: Dieser kam zum einen bei der Festlegung des massgebenden Valideneinkommens  (d.h. es wird der Verdienst im Teilzeitpensum berücksichtigt) und zum anderen bei der Gewichtung der beiden Teilinvaliditätsgrade aus Erwerb und Aufgabenbereich nach dem jeweiligen Pensum zum Tragen. Die doppelte Berücksichtigung der Teilzeittätigkeit wurde von den Gerichten häufig mit Verweis auf die konkrete Situation begründet, denn die IV versichere nur Einkommen, die tatsächlich realisiert werden, und nicht auch solche, die ohne Gesundheitsschaden theoretisch realisiert oder ausgeführt werden könnten. Verzichte eine vP aus welchen Gründen auch immer auf eine volle Erwerbstätigkeit, so erziele sie auch ohne Gesundheitsschaden ein geringeres Einkommen, als wenn sie Vollerwerbstätig wäre. Die entsprechende Erwerbseinbusse sei daher nicht gesundheitsbedingt. Trotzdem riss die Kritik namhafter Vertreter aus der Lehre an der bisherigen Handhabung der gemischten Methode nicht ab. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Teilerwerbstätigkeit in den letzten Jahren sei die bisherige Berechnungsweise nicht mehr zeitgemäss und widerspreche den heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse. Es wurde daher gefordert, das Valideneinkommen bei der Invaliditätsbemessung immer auf eine hypothetische volle Erwerbstätigkeit aufzurechnen, wodurch die erwerblichen Folgen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung korrekter dargestellt würden. Der Teilzeitcharakter sei nur noch bei der Gewichtung der beiden Bereiche nach ihrem jeweiligen Anteil zu berücksichtigen.

Eine weitere Kritik bezog sich auf die mangelnde Beachtung der Wechselwirkungen. Darunter ist zu verstehen, dass sich die im Erwerbs- und Aufgabenbereich vorhandenen Belastungen jeweils negativ auf den anderen Bereich auswirken können. In Anerkennung entsprechender Mechanismen stellte das Bundesgericht daher Regeln für deren Beachtlichkeit auf und hielt fest, dass unter bestimmten Umständen ein zusätzlicher Abzug von maximal 15 ungewichteten Prozentpunkten vorgenommen werden kann.11 Allerdings vermochte sich dieser Abzug aufgrund der eher hohen Hürden bei den Voraussetzungen in der Praxis nicht wirklich durchzusetzen.

Beanstandet wurde daneben teilweise auch, dass die gesundheitlichen Einschränkungen bei der Beurteilung der Haushalts- und Familienaufgaben vielfach weniger stark zum Tragen kämen als bei der Invaliditätsbemessung im Erwerbsbereich. Durch eine starke Gewichtung der Schadenminderungspflicht im Aufgabenbereich und die Möglichkeit der freieren Organisation der Arbeiten werde davon ausgegangen, dass die vP einen erhöhten Zeitaufwand in Kauf nehmen und zumindest teilweise die Mithilfe von anderen Haushalts- und Familienmitglieder in Anspruch nehmen müsse.

Allerdings wird diese Kritik durch die eindeutige Spruchpraxis des Bundesgerichts grösstenteils entkräftet.12 Nach Auffassung der Bundesrichter ist es nachvollziehbar, dass die gleiche gesundheitliche Einschränkung bei den Familien- und Haushaltsaufgaben zu einem tieferen Invaliditätsgrad führen könne als bei einer Erwerbstätigkeit. Ebenso wie es zu berücksichtigen gelte, dass die Mithilfe der Familie insbesondere dort ihre Grenzen habe, wo Angehörige durch Übernahme der Arbeiten eine Erwerbseinbusse erleiden oder ihnen eine unverhältnismässige Belastung entsteht, sei andererseits auch danach zu fragen, wie sich eine vernünftige Familiengemeinschaft einrichten würde, wenn keine Versicherungsleistungen zu erwarten wären.13

Die gemischte Methode wird hauptsächlich bei der Invaliditätsbemessung für Frauen angewendet, welche ihr Erwerbspensum reduzieren, um sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern. Ihre Kritiker machen deshalb immer wieder geltend, dass sie zumindest indirekt diskriminiere und gegen das Gleichbehandlungsgebot verstosse. Hiergegen wurde jedoch argumentiert, dass auch eine gesunde vP, die teilzeitlich arbeite, letztlich freiwillig auf einen Teil des möglichen Lohns verzichte. Die IV sei definitionsgemäss nicht verpflichtet, einen hypothetischen Einkommensverlust für eine Tätigkeit zu kompensieren, welche die vP, wenn sie nicht gesundheitlich beeinträchtigt wäre, nicht ausgeübt hätte. In seiner Spruchpraxis hat das Bundesgericht wiederholt  festgehalten, dass die gemischte Methode weder diskriminierend sei noch gegen das Gleichbehandlungsgebot verstosse.

Der in der Literatur geäusserten Grundsatzkritik stellte das Bundesgericht auch entgegen, dass die gemischte Methode dem Willen des Gesetzgebers entspreche: Weder hindere sie jemanden daran, sein Leben frei zu gestalten und das Familienmodell frei zu wählen, noch schliesse sie es aus, die individuelle Situation einer teilerwerbstätigen Person auf angemessene Weise zu berücksichtigen.14 In jüngerer Zeit liess das Bundesgericht allerdings auch seine Haltung durchschimmern, dass der Gesetzgeber und nicht das Gericht die Frage nach einer zeitgemässen Anwendung der gemischte Methode, welche den generellen Trend hin zur Teilzeitarbeit allenfalls besser berücksichtigt, zu beantworten habe.

Das Postulat Jans und der Entscheid des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Im Dezember 2012 überwies der Nationalrat das Postulat Jans (12.3960), das vom Bundesrat  einen Bericht über die Stellung teilzeitlich erwerbstätiger Personen bei der IV verlangte. Gestützt auf die Beurteilung des aktuellen Systems und der aufgezeigten Alternativen gelangte der Bundesrat in seinem Bericht  zum Schluss, dass an der gemischten Methode festzuhalten sei, diese jedoch angesichts der zunehmenden Bedeutung der Teilerwerbstätigkeit optimiert werden sollte. Indem die Einschränkungen in beiden Bereichen gleichzeitig beurteilt und umfassend berücksichtigt werden, könne einerseits die Wechselwirkung zwischen der Erwerbstätigkeit und den anderen rentenrelevanten Tätigkeiten besser berücksichtigt werden. Andererseits sei die Zeit, die neben einem Teilzeiterwerb tatsächlich für andere Aufgaben verbleibe, einzelfallgerecht zu analysieren. Dies setze etwa eine entsprechend klare Fragestellung der IV-Stellen und Sozialversicherungsgerichte an den Arzt voraus.

Am 2. Februar 2016 entschied der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall die Trizio gegen die Schweiz (Nr. 7186/09) dass die Anwendung der gemischte Methode im konkreten Fall das Diskriminierungsverbot gemäss Art. 14 EMRK verletze, indem die vP ihren Rentenanspruch allein deshalb verliert, weil sie wegen familiärer Pflichten die Erwerbstätigkeit reduziert und dadurch eine andere Invaliditätsbemessung zur Anwendung kommt.

Mit dem Urteil des EGMR verletzt die revisionsweise Aufhebung oder Herabsetzung einer Invalidenrente in Anwendung der gemischten Methode die EMRK, wenn allein familiäre Gründe (die Geburt von Kindern und die damit einhergehende Reduktion des Erwerbspensums) für einen Statuswechsel von vollerwerbstätig zu teilerwerbstätig mit Aufgabenbereich sprechen. In diesen Fällen kann die gemischte Methode mit dem heutigen Berechnungsmodell nicht mehr angewendet werden. Im IV-Rundschreiben Nr. 355 vom 31. Oktober 2016 erliess das BSV in der Folge die Übergangsregelung, welche die Handhabung der gemischten Methode festlegt, bis eine neue, generell-abstrakte Regelung in Kraft tritt. In seinem Urteil vom 20. Dezember 201615 bestätigte das Bundesgericht das vom BSV festgelegte Vorgehen und präzisierte mit Urteil vom 15. März 2017,16 dass in Fällen, bei denen keine „Di Trizio ähnliche Ausgangslage“ vorliegt, das bisherige Recht und das bisherige Berechnungsmodell der gemischten Methode weiterhin anzuwenden seien.

Die Invaliditätsbemessung und Rentenberechnung nach der gemischten Methode per 1. Januar 2018 Das Urteil des EGMR hat die rechtliche Ausgangslage bei der Invaliditätsbemessung bei Teilerwerbstätigkeit grundlegend geändert. Die Invaliditätsbemessung bei Teilerwerbstätigen mit Aufgabenbereich muss über die ursprünglich vom Bundesrat im Bericht zum Postulat Jans vorgesehene optimierte  gemischte Methode hinausgehen.

Da Art. 28a Abs. 3 IVG die Festsetzung der Vergleichseinkommen im Rahmen des Einkommensvergleichs nicht näher regelt, kann der Bundesrat ausgehend von seiner allgemeinen Vollzugskompetenz gemäss Art. 86 Abs. 2 IVG die neue Handhabung der gemischten Methode auf Verordnungsstufe regeln. Dabei sieht er die diskriminierungsfreie Ausgestaltung der gemischten Methode nach den Anforderungen des EGMR auch als Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die auf den 1. Januar 2018 angepasste Verordnung regelt die neue Bemessungsweise bei der gemischten Methode in Art. 27bis Abs.  2 bis 4 IVV.

Auch bei der neuen Regelung wird der Invaliditätsgrad in Bezug auf die Erwerbstätigkeit weiterhin nach Art. 16 ATSG berechnet. Hingegen wird neu das Valideneinkommen auf eine hypothetische Vollerwerbstätigkeit hochgerechnet. Die Festlegung des Invalideneinkommens erfolgt wie bis anhin. Die letztlich berechnete prozentuale Erwerbseinbusse wird anhand des Beschäftigungsgrads, den die Person hätte, wenn sie nicht invalid geworden wäre, gewichtet.

Der Invaliditätsgrad in Bezug auf die Betätigung im Aufgabenbereich wird wie heute durch einen Betätigungsvergleich nach Art. 28a Abs. 2 IVG bestimmt. Wie bei vP, die vollständig im Aufgabenbereich tätig sind, wird für die Bemessung der Invalidität ermittelt, in welchem Masse sie unfähig sind, sich im Aufgabenbereich zu betätigen. Die so erhaltene Einschränkung wird gemäss dem neben der Erwerbstätigkeit verbleibenden Anteil gewichtet.

Die Gesamtinvalidität ergibt sich weiterhin aus der Addition der beiden gewichteten Teilinvaliditäten (vgl. Tabelle T1).

Mit dem vorgeschlagenen Modell wird automatisch sichergestellt, dass die Wechselwirkungen zwischen Erwerbstätigkeit und Haushalt im Hinblick auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf konsequent berücksichtigt werden. Der auch auf den 1. Januar 2018 eingeführte einheitliche Gutachtensauftrag (Kocher 2017) stellt in diesem Zusammenhang sicher, dass im Rahmen der medizinischen Begutachtung die Situation der vP (vollerwerbstätig, teilerwerbstätig, nicht erwerbstätig) vorgängig bekannt ist und in die Beurteilung der Folgen der Gesundheitsschädigung entsprechend einbezogen werden kann.

Die übergangsrechtliche Regelung Übergangsrechtlich sind alle laufenden Viertelsrenten, halben Renten und Dreiviertelsrenten, welche nach der bisherigen gemischten Methode berechnet wurden, einer Revision zu unterziehen, da die neue Berechnungsart zu höheren Rentenansprüchen führen kann. Deshalb haben die IV-Stellen in diesen rund 6800 Fällen (Stand Ende 2016) innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten der neuen Regelung eine Revision einzuleiten. Dies bedeutet nicht, dass in diesem Jahr auch alle betreffenden Revisionsfälle abgeschlossen werden. Je nach Abklärungsbedarf (z.B. medizinisches Gutachten, neue Haushaltabklärung) und abhängig von allfälligen sonstigen Änderungen des Sachverhaltes kann der neue Leistungsentscheid auch erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Die allfällige Erhöhung der Rente wird jedoch ab dem Zeitpunkt gewährt, ab dem die Verordnungsanpassung in Kraft tritt (also ab dem 1. Januar 2018). Die ganzen Renten, welche nach der bisherigen gemischten Methode berechnet wurden, werden erst im Rahmen einer ordentlichen Rentenrevision mit der neuen Bemessungsweise gerechnet.

Für diejenigen Fälle, bei denen nach der bisherigen Anwendung der gemischten Methode ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad festgestellt und daher der Rentenanspruch abgelehnt wurde, ist es nicht möglich eine Revision von Amtes wegen vorzunehmen. Es ist hier vielmehr notwendig, dass sich die vP erneut anmeldet. Die IV-Stelle ist verpflichtet, auf eine neue Anmeldung einzutreten, wenn die Berechnung des Invaliditätsgrads nach der neuen Regelung voraussichtlich zu einem Rentenanspruch führt. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, lässt sich prüfen, indem die der ursprünglichen Verfügung zu Grunde liegenden Variablen (Status Erwerb/Aufgabenbereich, Valideneinkommen, Invalideneinkommen, Einschränkung im Aufgabenbereich) in die neue Berechnungsformel eingesetzt werden. Ein allfälliger Rentenanspruch entsteht nach Art. 29 Abs. 1 IVG frühestens sechs Monate nach der Neuanmeldung.17

Weitere Neuerungen und Auswirkungen der Verordnungsänderung Mit der Verordnungsänderung wird auch geregelt, welche Haushalttätigkeiten in den Betätigungsvergleich einfliessen. Der Fokus muss gemäss Rechtsprechung und Gesetz hier auf denjenigen Tätigkeiten liegen, welche einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt werden können.18 Hierfür ist das sog. Dritt-Personen-Kriterium massgebend. Es ist danach zu fragen, ob die entsprechende Tätigkeit typischerweise von Dritten (Personen oder Firmen) gegen Bezahlung übernommen werden kann.19 Dies ist für die üblichen Tätigkeiten im Haushalt wie Ernährung, Wohnungspflege, Einkauf und weitere Besorgungen sowie Wäsche und Kleiderpflege der Fall.20 Hier müssten beim Eintritt eines entsprechenden Gesundheitsschadens, soweit die Tätigkeiten im Rahmen der Schadenminderungspflicht nicht auf andere Familienmitglieder verteilt werden können, die entsprechenden Tätigkeiten extern eingekauft werden (Raumpflegerin, Haushalthilfe etc.). Neben den klassischen Haushalttätigkeiten besitzen auch die Pflege und Betreuung von Angehörigen eine ökonomische Relevanz, indem sie beim Eintritt eines entsprechenden Gesundheitsschadens durch Dritte sichergestellt werden müssten (Tagesmutter, Spitex etc.).

In der Verordnungsbestimmung nicht mehr erwähnt werden gemeinnützige und künstlerische Tätigkeiten. Obschon erstere zweifellos von volkswirtschaftlichem Nutzen sind, entsteht der Familie kein wirtschaftlicher Schaden, wenn die vP sich nicht mehr gemeinnützig betätigen kann. Der entsprechende Ausfall ist daher nicht durch die IV auszugleichen. Bezüglich künstlerischer Betätigung ist dagegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtes zu berücksichtigen, wonach diese als reine Freizeitbeschäftigung nicht unter die zu berücksichtigenden Tätigkeiten im Aufgabenbereich fallen.21 Handelt es sich nur um ein Hobby, so bewirkt ihr Wegfall in der Regel keinen wirtschaftlichen Nachteil. Wird eine künstlerische Tätigkeit hingegen professionell ausgeübt und damit ein gewisses Einkommen generiert, handelt es sich um eine Erwerbstätigkeit, die bei der Statusfestlegung entsprechend zu berücksichtigen ist (Genner 2013).

Das Bundesgericht schuf den Spezialfall der Teilerwerbstätigen ohne Aufgabenbereich.22 Darunter fallen grundsätzlich Personen, die keine Betreuungspflichten gegenüber Kindern oder Angehörigen wahrnehmen und eine freiwillige Reduktion des Arbeitspensums zwecks Gewinnung von Freizeit vornehmen. Gemäss bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichts hat die Invaliditätsbemessung in diesen Fällen nach der Methode des Einkommensvergleichs zu erfolgen, wobei eine doppelte Berücksichtigung der Teilerwerbstätigkeit vorgenommen wird.23 Aus Gründen der Rechtsgleichheit soll neu analog zur gemischten Methode auch für Teilerwerbstätige ohne Aufgabenbereich das Valideneinkommen auf ein Vollpensum hochgerechnet werden. Diese Regelung findet sich nicht in der Verordnung, wird aber auf Weisungsstufe entsprechend festgehalten.

  • Literatur
  • Kocher, Ralf; Hermelink, Monika (2017): «Medizinische Beurteilung und Begutachtung in der IV», in Soziale Sicherheit CHSS 4/2017, S.41–45.
  • Leuzinger, Susanne (2017): «Invaliditätsbemessung für teilerwerbstätige Versicherte mit Aufgabenbereich», in Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht 2017, S.155–184.
  • Genner, Susanne (2013): «Invaliditätsbemessung bei Teilzeiterwerbstätigen», in SZS 2013, S. 446–466.
  • 1. Therapie- und Behandlungskosten werden weitgehend durch die obligatorische Krankenversicherung, private Zusatzversicherungen, die Unfallversicherung, die Militärversicherung oder auch die Invalidenversicherung gedeckt.
  • 2. Vgl. zu den Voraussetzungen für einen Rentenbezug Art. 28 IVG i. V. m. Art. 6 bis 8 ATSG, insbesondere die Notwendigkeit alle zumutbaren Behandlungen und Eingliederungen vorgängig durchgeführt zu haben und die Erfüllung der Wartejahres (d.h. die vP muss während mindestens eines Jahres zu mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig gewesen sein).
  • 3. Vgl. Art. 28 Abs. 2 IVG.
  • 4. Vgl. Art. 28a Abs. 1 IVG i. V. m. Art. 16 ATSG.
  • 5. Vgl. Art. 28a Abs. 2 IVG.
  • 6. Vgl. Art. 28a Abs. 3 IVG.
  • 7. Vgl. BGE 117 V 194.
  • 8. Vgl. Urteile des Bundesgerichtes 8C_319/2010 Erw. 6.2.1 und 8C_731/2010 Erw. 4.2.1.
  • 9. Vgl. Art. 17 Abs. 1 ATSG sowie Art. 87 IVV.
  • 10. Vgl. BGE 141 V 15.
  • 11. Vgl. BGE 134 V 9.
  • 12. Vgl. statt vieler Urteil I 595/03 Erw. 3.2.1.
  • 13. Vgl. BGE 133 V 504 E. 4.2 mit Hinweisen auf weitere Urteile.
  • 14. Vgl. BGE 137 V 334.
  • 15. Vgl. BGE 143 I 50.
  • 16. Vgl. Urteil 9C_525/2016.
  • 17. Vgl. hierzu auch BGE 142 V 547.
  • 18. Vgl. Art. 7 Abs. 2 IVG sowie Urteil des Bundesgerichtes I 246/96 vom 12. Dezember 1996 Erw. 3b.
  • 19. Vgl. hierzu BGE 130 V 360, Erw. 3.3.4.
  • 20. Im Kreisschreiben über die Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH) werden die einzelnen anrechenbaren Tätigkeiten weiter konkretisiert.
  • 21. Vgl. BGE 125 V 157 Erw. 5c/bb mit Hinweisen.
  • 22. Vgl. BGE 131 V 51, 134 V 9.
  • 23. Vgl. BGE 142 V 290.
Lic. iur., Juristin Bereich Verfahren und Rente, Geschäftsfeld Invalidenversicherung, BSV.
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Lic. iur., Bereich Verfahren und Rente, Geschäftsfeld Invalidenversicherung, BSV
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